5 gute Gründe für Customer Obsession


In einer Geschäftswelt, die von ständigem Wandel und steigendem Wettbewerb geprägt ist, ist es unerlässlich, den Kunden in den Mittelpunkt der Unternehmensstrategie zu stellen. Besessenheit mag insbesondere aus deutscher Sicht wie eine typische amerikanische Übertreibung klingen.  Was auf den ersten Blick wie ein extremer Ansatz erscheinen mag, birgt tatsächlich eine Vielzahl von Vorteilen für Unternehmen. In diesem Blogartikel werden wir uns mit den Gründen befassen, warum Kundenobsession über den herkömmlichen Kundenfokus hinausgeht und warum sie für Unternehmen von entscheidender Bedeutung ist.

These:

Unternehmen, die die Kundenorientierung in den Vordergrund stellen, gewinnen. Sie sind schneller innovativ. Ihre Produkte sind eine direkte Manifestation des Kundenfeedbacks. Sie stellen die Stimme des Kunden über alle anderen Dinge im Unternehmen. Ihre Umsatzzahlen, Gewinne, NPS-Werte und Marktführerschaft beweisen das.

Als ich mich Mitte der 90er Jahre wissenschaftlich mit dem Thema Kundenzufriedenheit und Kundenbeziehungsmanagement auseinandergesetzt habe, war das Kürzel CRM für Customer Relationship Management noch ganz neu. Viele Unternehmen, die bis dato viel in die Optimierung ihrer internen Unternehmensprozesse investiert hatten, begannen sich mit dem Thema CRM auseinanderzusetzen und der Kunde rückte auch in der „Servicewüste Deutschland“ stärker in den Mittelpunkt. 

Mein Gefühl bei der Beratung von vielen Unternehmen war, dass sie sich analog zu anderen Unternehmensprozessen stark aus einer internen Sicht auf den Kunden näherten. Fragen, wie „Wie kann ich meinen Vertrieb effizienter gestalten, wie kann ich mein Marketing automatisieren, wie kann ich meine Serviceprozesse vereinfachen?“ standen und stehen oftmals im Vordergrund. Dagegen ist nichts einzuwenden, ist aber aus meiner Sicht noch wirkungsvoller, wenn ich mich den Prozessen aus Sicht meiner Kunden nähere.

Daher ist es für mich immer essenzieller Bestandteil meiner Workshops, Methoden aus dem Design Thinking wie Customer Journey und Kundeninterviews (näherungsweise auch Buyer Personas) zu verwenden.

Es gibt aber viele Unternehmen, die grundsätzlich aus einer Kundensicht denken. Das bekannteste von ihnen ist sicherlich Amazon. Das erste und wichtigste der 14 Leadership Prinzipien von Amazon ist Customer Obsession.

„The No. 1 thing that has made us successful by far is the obsessive compulsive focus on the customer.” Jeff Bezos

Was ist nun der Unterschied zwischen Kundenfokus und Kundenobsession? Gibson Biddle, früher Vice President von Netflix hat das gut zusammengefasst:

Customer FocusCustomer Obsession
Hören, was die Kunden sagen„Testen und lernen“ mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden
Verstehen Sie die aktuellen Wünsche und Bedürfnisse Ihrer KundenErfinden und Liefern von unerwarteten, zukünftigen Bedürfnissen
Fokus auf KundenzufriedenheitStreben, Kunden langfristig zu begeistern
Ein besseres Produkt als die KonkurrenzPionierarbeit in neuen Bereichen, mit weniger Wettbewerb
Gleichgewicht zwischen Kundenzufriedenheit und Gewinnspanne, um das Geschäft zu entwickelnFühren Sie mit Kundenbegeisterung, stellen Sie sicher, dass die Arbeit schwer zu kopieren ist und höhereMargen werden folgen

https://medium.com/behavior-design/how-netflixs-customer-obsession-created-a-customer-obsession-726c09c2d52b

Aus meiner Sicht sind viele Unternehmen auf dem Weg zu mehr Kundenfokus, aber nur eine vergleichsweise geringe Anzahl sind wahrhaft kundenzentriert. Sehr viele gute Beispiele finden sich in der Onlinebranche, aber auch die Luxusgüterbranche zeichnet sich naturgemäß durch eine extrem starke Kundenorientierung aus.

Was sind nun die Merkmale von Kundenobsession und welchen Nutzen bedeuten sie für Unternehmen?

1. Maßgeschneiderte Kundenerlebnisse: Kundenobsession geht über das bloße Verständnis der Kundenbedürfnisse hinaus. Es bedeutet, die Kunden so gut zu kennen, dass man ihre individuellen Vorlieben und Wünsche antizipieren kann. Durch die Nutzung von Datenanalyse und Technologie können Unternehmen personalisierte Angebote, Empfehlungen und Erlebnisse bereitstellen, die nicht nur die Kundenzufriedenheit steigern, sondern auch langfristige Bindungen aufbauen.

2. Innovationsförderung: Kundenobsession ermutigt Unternehmen, eng mit ihren Kunden zusammenzuarbeiten, um innovative Lösungen zu entwickeln. Indem man sich in den Entwicklungsprozess einbindet und auf das Feedback der Kunden hört, können Unternehmen Produkte und Dienstleistungen schaffen, die den Bedürfnissen und Erwartungen der Kunden besser entsprechen. Dies führt nicht nur zu einem Wettbewerbsvorteil, sondern stärkt auch die Marke als Innovator.

3. Langfristige Kundenbindung: Kundenbesessenheit zielt darauf ab, nicht nur Einzeltransaktionen zu maximieren, sondern auch langfristige Beziehungen aufzubauen. Zufriedene Kunden neigen dazu, loyaler zu sein und positive Mundpropaganda zu betreiben. Diese Loyalität führt zu einer stabilen Kundenbasis und verringert die Notwendigkeit teurer Neukundengewinnung.

4. Reputationsaufbau: Ein kundenobsessives Unternehmen wird für seinen hervorragenden Kundenservice und seine maßgeschneiderten Lösungen bekannt sein. Dies führt zu einer positiven Markenwahrnehmung und einem guten Ruf in der Branche. Ein starker Ruf kann die Tür zu neuen Partnerschaften, Kooperationen und Geschäftschancen öffnen.

5. Wandelnde Kundenbedürfnisse: Die Geschäftswelt entwickelt sich kontinuierlich weiter, und Kundenbedürfnisse ändern sich mit ihr. Kundenobsession ermöglicht es Unternehmen, sich agil anzupassen und in Echtzeit auf sich verändernde Anforderungen zu reagieren. Durch die enge Bindung an die Kunden können Unternehmen Trends schneller erkennen und darauf reagieren, was letztendlich ihre Wettbewerbsfähigkeit steigert.

Während der Begriff „Kundenobsession“ einige Vorbehalte hervorrufen mag – die Befürchtung, zu viel Zeit und Ressourcen auf einzelne Kunden zu verwenden, anstatt sich auf das Gesamtbild zu konzentrieren – ist es wichtig zu verstehen, dass es hier um die Optimierung der Kundenerfahrung auf breiterer Ebene geht. 

„Kundenobsession erfordert nicht, dass jedes Teammitglied in einem Unternehmen ausschließlich einem Kunden gewidmet ist, sondern vielmehr, dass die gesamte Organisation den Kunden in den Mittelpunkt stellt und seine Bedürfnisse als oberste Priorität betrachtet.“
Thomas Böhme

In der heutigen datengetriebenen Ära haben Unternehmen Zugang zu einer Fülle von Informationen über ihre Kunden. Indem sie diese Daten intelligent nutzen und ein tiefes Verständnis für ihre Zielgruppen entwickeln, können sie über den traditionellen Kundenfokus hinausgehen und sich der Kundenbesessenheit verschreiben. Dies bedeutet nicht, dass die Unternehmensziele vernachlässigt werden sollten – vielmehr geht es darum, die Kundenzufriedenheit und -bindung als Mittel zur Erreichung dieser Ziele zu nutzen.

In einem Markt, in dem Wettbewerb und Kundenanforderungen ständig wachsen, ist Kundenbesessenheit der Schlüssel zur Differenzierung und langfristigen Erfolg. Unternehmen, die sich diesem Ansatz verschreiben, werden nicht nur in der Lage sein, die Erwartungen ihrer Kunden zu erfüllen, sondern sie auch zu übertreffen. Von maßgeschneiderten Erlebnissen über Innovationen bis hin zur Schaffung einer starken Markenreputation – die Vorteile von Kundenbesessenheit sind vielfältig und können den Weg für nachhaltiges Wachstum ebnen.

Insgesamt ist es an der Zeit, den Fokus von reinem Kundenmanagement auf wahre Kundenobsession zu verlagern. Dies erfordert ein Umdenken in der Unternehmenskultur und ein starkes Engagement der Führungsebene. Unternehmen, die sich der Kundenobsession verschreiben, werden in der Lage sein, sich nicht nur an die Spitze ihres Sektors zu setzen, sondern auch tiefgreifende und langanhaltende Beziehungen mit ihren Kunden aufzubauen – ein Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg in einer sich ständig wandelnden Geschäftswelt.