Wachstum ist ein ganz natürlicher Prozess. Wir sind dazu geschaffen, nicht nur physisch über viele Jahre zu wachsen, vom Säugling zum „Erwachsenen“, sondern unsere Fähigkeiten ständig in allen Bereichen weiterzuentwickeln, manchmal auch über uns hinaus zu wachsen.
Das Gegenteil wäre Stillstand oder Tod. Solange wir lebendig sind, sollen wir wachsen und gedeihen – in jeder Hinsicht. Kindern ist das eingängig – sie könnten nicht überleben, würden sie nicht über circa 18-20 Jahre hinweg wachsen: größer, stärker, verständiger, schlauer, selbständiger werden.
Aus der kindlichen Perspektive ist Wachstum leicht verständlich, intuitiv und ganz natürlich. Doch wie sieht es bei Erwachsenen aus? Ist Wachstum in jedem Alter und jeder Situation eines Menschen noch erstrebenswert, wird es immer positiv gesehen oder kann es sogar negativ belegt sein?
Wachstum ist eine Frage der Haltung
In der Psychologie unterscheidet man zwischen zwei grundsätzlichen Haltungen (Mindsets) des Menschen: einem Growth Mindset und einem Fixed Mindset. Anbei finden Sie eine Übersicht der wesentlichen Merkmale dieser beiden Denkweisen, in Anlehnung an die Erkenntnisse und Studien von Carol Dweck.
Wachstum braucht das passende Growth Mindset
Dweck hat herausgefunden, dass Menschen mit einem Growth Mindset sich durch eine wachstumsorientierte Denkweise auszeichnen. In ihrem Leben haben sie einen Fokus auf Wachstum und Weiterentwicklung, sind belastbar und probieren gerne Neues aus. Ihre Resilienz ist gut ausgeprägt, sie lassen sich durch Misserfolge und Schwierigkeiten nicht entmutigen, sondern verfügen über ein robustes Selbstvertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten sowie ein positives Selbstbild und stehen mit beiden Füßen im Leben.
So sind sie in der Lage, ihre Intelligenz für etwas Nutzen stiftendes einzusetzen und sich kontinuierlich weiter zu entwickeln. Den Erfolg anderer sehen sie als Inspiration. Sie lernen aus einem Fehler und nehmen Kritik an. Das Gehirn und die Einstellung eines Menschen mit Wachstumsmentalität ist offen für neue Dinge und setzt diese schnell in eine neue, wachstumsorientierte Idee um. Dies fördert eine positive Einstellung zum Leben und stärkt den Glauben an sich selbst.
Ein Fixed Mindset fokussiert auf Erfolg
Im Gegenzug dazu haben laut Dweck Menschen mit einem Fixed Mindset hingegen andere Überzeugungen. Ihr Fokus liegt auf Erfolg, doch haben sie oft ein geringes Selbstvertrauen in eigene Fähigkeiten, geben schnell auf und vermeiden Herausforderungen. Angst vor Misserfolg mindert Ihre Resilienz, diese Menschen verhalten sich meist defensiv und betrachten den Erfolg anderer als Bedrohung.
Im Gegensatz zu einer Person mit einem Growth Mindset, ignoriert eine Person mit einem Fixed Mindset negatives Feedback. Ihre Bereitschaft, etwas aus einem Fehler zu lernen oder auch eine andere Idee oder Erfahrung aufzunehmen, ist begrenzt. Carol Dweck leitet daraus ab, dass bei Menschen mit einem Fixed Mindset die Lernfähigkeit des Gehirns langfristig eingeschränkt wird, Intelligenz und Fähigkeiten werden nicht ausgeschöpft. Fixe Glaubenssätze bewirken ein statisches Lebensmodell mit Grenzen, dass keine Fehler zulässt und somit nichts Neues entsteht.
Auswirkungen eines Growth vs. Fixed Mindset
Aufgrund dieser Haltung haben Wissenschaftler und Forscher wie N. Holmes und Carol Dweck herausgefunden, dass ein Fixed Mindset eine Entwicklung von Kreativität, Intelligenz und Talent kaum zulässt, während ein Growth Mindset fast immer zu einer positiven Entwicklung und Stärkung dieser Fähigkeiten führt.
Damit einher geht auch laut Carol Dweck eine unterschiedliche Anstrengungsbereitschaft. Sie ist hoch bei einem Growth Mindset, jedoch häufig sehr gering, wenn das Selbstbild in erster Linie negativ ist.
Carol Dweck zieht in ihrem Buch „Mindset“ als Fazit ihrer wissenschaftlichen Erhebung von Daten und Analyse, dass Personen mit einem Growth Mindset meist mehr schaffen können als sie glauben. Personen mit einem Fixed Mindset schöpfen ihr volles Potenzial selten aus.
Welche Bedeutung hat ein Growth Mindset heute?
Ein entscheidender Erfolgsfaktor bei der Umsetzung einer neuen Unternehmenskultur ist heutzutage ein „Digital Growth Mindset“. Tiefgreifende Change-Prozesse, die eine digitale Transformation mit sich bringt, scheitern häufig an fehlender Einbindung und Unterstützung der Mitarbeitenden.
Anhand von Best-Practice-Beispielen werde ich erläutern, was es konkret heisst, ein digitales Mindset zu entwickeln und wie Führungskräfte hierbei mit konkreten Impulsen als Vorbilder einen großen Einfluss auf eine vorausschauende und positive Unternehmenskultur nehmen können.
Für gesundes und nachhaltiges Wachstum gibt es kein Erfolgsrezept – aber Erfolgsfaktoren
Alternativen zu Wachstum gibt es nicht. In einer Zeit, in der sich ganze Branchen innerhalb kürzester Spannen grundlegend verändern, müssen Führungskräfte wachgerüttelt werden: Verpasst man die Möglichkeit, die eigenen Stärken auch online auszuspielen, wird man von der Konkurrenz überholt.
Nur wenn es Unternehmen schaffen, ihre existierenden Kernkompetenzen dynamisch als einzigartigen Wettbewerbsvorteil (USP) in die digitale Welt zu übertragen, kann nachhaltiges Unternehmenswachstum erreicht werden.
Der Weg dorthin ist weder einfach noch schnell: neben einer maßgeschneiderten Wachstumsstrategie, bedarf es eines durchdachten Fahrplans, wie diese in der gesamten Organisation Schritt für Schritt umgesetzt werden soll.
Dabei ist ein ganzheitliches und agiles Vorgehen essentiell: alle Funktionen und Geschäftsbereiche sind zu involvieren, klare Ziele, Kennzahlen und passende Anreizsysteme zu entwickeln, Change Agents einzusetzen, um die erforderlichen Veränderungen kontinuierlich voranzutreiben und ausreichend Freiraum und Ressourcen für neue Ideen und Projekte zu schaffen.
Das alles kostet Zeit und Geld, doch die nachhaltige Wirkung eines systematischen und maßvollen Wachstumsprozesses zahlt sich aus. Am Ende des Tages ist Wachstum am besten von innen heraus zu stemmen – mit einer konsequenten „People First“ Haltung, viel Mut, neue Wege zu gehen, selber innovative Ventures zu bauen und die vorhandenen loyalen Mitarbeitenden auf dieser spannenden Reise mitzunehmen.
Organizational Growth Mindset: Der Schlüssel zum Kulturwandel?
Zu sagen, dass Unternehmen sich in einer sich verändernden Landschaft zurechtfinden müssen, grenzt an ein Klischee; zu sagen, dass sie aus Rückschlägen lernen müssen, ist offensichtlich; und die Notwendigkeit einer „Aufsteher-Mentalität“ ist so selbstverständlich wie der Bedarf an Sauerstoff. Doch wie man diesen Anforderungen gerecht werden kann, bleibt für viele Führungskräfte ein Rätsel.
„Culture eats Strategy for breakfast“
Um eine Organisation fit und anpassungsfähig an unsere turbulenten Zeiten zu machen, müssen wir eine Reihe von Gewohnheiten und Systemen etablieren, die ein „growth mindset“ unterstützen. Hier kommt die Wachstumsmentalität ins Spiel.
Denken Sie wachstumsorientiert!
Jahrzehntelange wissenschaftliche Forschungen und statistische Daten zur Motivation zeigen, dass eine wachstumsorientierte Denkweise zu hoher Leistung, erfüllten Beziehungen und beruflichem Erfolg führt.
Übertragen auf die Organisation als System, werden in einer „Growth Mindset“ Kultur, „alle Mitarbeitenden als Potenzialträger gesehen werden, zur Entwicklung ermutigt und für Verbesserungen anerkannt und belohnt.“
Die Vorteile einer Kultur des Wachstumsdenkens in Organisationen können erheblich sein (vgl. Artikel von leadership-insiders):
- ArbeitnehmerInnen haben 47 % mehr Vertrauen in ihr Unternehmen
- Die Mitarbeitenden fühlen sich zu 34 % eher für die Zukunft ihres Unternehmens verantwortlich und engagieren sich.
- ArbeitnehmerInnen stimmen zu 65 % eher zu, dass ihr Unternehmen Risikobereitschaft unterstützt.
Diese Attribute einer wachstumsorientierten Unternehmenskultur sind für die erfolgreiche Umsetzung von Veränderungsprozessen von entscheidender Bedeutung, denn Mitarbeitende mit einem „growth mindset“ fühlen sich nicht als Opfer, sondern als Mitgestalter von Veränderungsprozessen.
Ablösen alter Maxime wie Perfektion und Leistung
Alte Maxime von „Perfektion und Ergebnissen“ müssen sich ändern hin zu einer neuen Maxime des Wachstums. Hier sind Unternehmen gefragt, Fehler einzugestehen und kontinuierliches Lernen, kreatives Experimentieren und aktives Teilen von Wissen zu leben und fördern.
Eine wirksame Möglichkeit, die Sprache wachstumsorientiert zu prägen und Teamkultur zu verändern, ist beispielsweise die Einführung von „noch“ bei Aussagen über Beschränkungen („Das können wir noch nicht tun“) und „was wäre, wenn“ („Was wäre, wenn wir anders darüber denken?“). So kann das aktuelle Denken des Teams geöffnet werden für neue Möglichkeiten, eine Herausforderung anzugehen.
Tipps: Wie baut man ein organisatorisches Wachstumsdenken auf?
Sorgen Sie dafür, dass Ihre Systeme die richtigen Verhaltensweisen ermöglichen. Beispielsweise können People Prozesse mit einem Growth-Mindset-Ansatz gestaltet werden:
Einige Unternehmen stellen Talente auf der Grundlage verhaltensorientierter Interviewfragen ein und ermittelt deren Neugier und Lernbereitschaft ohne Fragen zu stellen, die sich direkt auf die fixe oder die wachstumsorientierte Denkweise beziehen.
Andere machen neue Mitarbeitende im Rahmen von Onboarding-Programmen mit ihrer wachstumsorientierten Denkweise vertraut, indem sie das gewünschte Verhalten in ihrer Organisation an konkreten Beispielen aus dem täglichen Leben verdeutlichen.
Best Practice Beispiel HP
Nur wenige Monate nach der Abspaltung von HP Inc. vom Tech-Giganten Hewlett-Packard Company stand das Unternehmen vor der einmaligen Gelegenheit, die HP-Kultur neu zu erfinden, und sah sich mit einer tiefgreifenden organisatorischen Herausforderung konfrontiert: Tausende von Mitarbeitern für eine völlig neue Arbeitsweise zu gewinnen.
Mehr als 4.700 Manager durchliefen das Growth Mindset-Lernprogramm, doch um das Wachstumsdenken als kulturellen Imperativ aufrechtzuerhalten, bettete das HR-Team von HP das Wachstumsdenken in ein ganzes Menü von People Prozessen ein: in sein Leistungsmanagement, in Coaching- und Karrieregespräche, in Talentbewertungs-, Team- und Führungsentwicklungsprogramme sowie in seine Ansätze zur Talentakquise ein.
Als Ergebnis dieser Bemühungen konnte das Unternehmen das Mitarbeiterengagement um 22 % steigern und erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine innovative Produktpalette.
Engagement und Einsatz der obersten Führungskräfte sicherstellen
Die Unterstützung und das aktive Engagement von Top-Führungskräften vor und während Growth Mindset-Initiativen ist der entscheidende Faktor, um einen gemeinsamen „Purpose“ zu schaffen, da Top-Führungskräfte das Growth Mindset in ihrer Organisation kommunizieren, lehren und vorleben.
Führungskräfte können den Wandel inspirieren. Unternehmen nutzen das Engagement ihrer Führungskräfte, um eine wachstumsorientierten Denkweise zu verbreiten und die Belegschaft einzubinden. Sie formulieren integrative Sätze mit „wir“ und „uns“, um den wahrgenommenen positiven Wandel und den Glauben an eine erfolgreiche Transformation innerhalb der Organisation zu verstärken.
Best-Practice Beispiel Microsoft
Als grundlegendes Kulturattribut bei Microsoft war die Wachstumsmentalität beispielsweise ein entscheidender Schwerpunkt des kulturellen Wandels, und CEO Satya Nadella hatte die Idee, dabei den Schwerpunkt auf kontinuierliches Lernen zu legen.
Er machte deutlich, dass ein Zustand des ständigen Lernens für die Mitarbeitenden auf allen Ebenen notwendig sei. In Nadellas Worten würde diese strategische Neuausrichtung erfordern, dass man von einer Gruppe von „Alleswissern“ zu einer Gruppe von „Alleslernern“ wird.
Von „Alleswissern“ zu „Alleslernern“
Unter seiner Schirmherrschaft hat das Talentteam zusammen mit dem NeuroLeadership Institute intensiv daran gearbeitet, seine Idee konsequent umzusetzen und wachstumsorientierte Verhaltensweisen und Organisationssysteme für die 131.000 Mitarbeitenden weltweit zu schaffen.
Seitdem wurde eine Reihe von Ansätzen verfolgt, um einen langfristigen Wandel zu initiieren und voranzutreiben. Dazu wurden Führungskräfte eingebunden, etwas über Growth Mindset zu erzählen und es vorzuleben. Es gab Sensibilisierungskampagnen für die Mitarbeitenden, was die Akzeptanz eines Growth Mindsets förderte. Und es wurde kontinuierlich gemessen, was und wie die Mitarbeitenden Growth Mindset im Unternehmen erleben.
Für Microsoft ist die kontinuierliche Messung von unschätzbarem Wert für den Kulturwandel. In täglichen Pulsumfragen werden ständig Metriken zu den Erfahrungen der Mitarbeitenden mit der Wachstumsmentalität gesammelt.
Die Zufriedenheit mit der Messung der Wachstumsorientierung liegt tendenziell zwischen 78 % und 80 %, und es hat sich gezeigt, dass sie der primäre Treiber für die übrigen Attribute der Microsoft-Kultur ist: kundenorientiert, vielfältig und inklusiv.
Seien Sie sich über die Wachstumsmentalität im Klaren
Warum setzen Unternehmen überhaupt Growth Mindset als Mittel zum Kulturwandel ein?
Den gemeinsamen Zweck zu kennen und das strategische Zielbild des Kulturwandels zu verstehen, ist entscheidend für den Erfolg der Umsetzung. Dabei besteht ist ein Growth Mindset der wichtigste Treiber und gleichzeitig das Fundament, um die digitale Transformation erfolgreich umzusetzen und eine Wachstumsmentalität im Unternehmen zu verankern.
Zukunftsfähige Unternehmen sind offen für neue Arbeitsmodelle
Die Arbeitswelt, wie wir sie heute kennen, wird in einigen Jahren nicht mehr existieren. Ein drastischer Wandel unserer Denk- und Arbeitsweise steht bevor. Was wir durch die Pandemie gelernt haben und was sich heute schon andeutet, ist eine rasante Veränderung in der Arbeitswelt. Der Wunsch nach (etwas) mehr Flexibilität in Arbeitszeit und -Ort ist groß und der Trend zu hybridem Arbeiten unaufhaltbar. Firmen sollten sich heute schon auf diesen Umschwung vorbereiten, wenn Sie in Zukunft erfolgreich wachsen und auf dem Markt bestehen wollen.
Die Digitalisierung der Arbeitswelt zwingt Unternehmen, ihre bisherigen Arbeitsmodelle zu überdenken. Mit der Entstehung neuer Formen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelten veränderte Standards, was erfolgreiche Mitarbeiterbindung betrifft.
Flexible Arbeitsformen werden von qualifizierten Fachkräften zunehmend vorausgesetzt. Auf diesem Gebiet herrscht bei vielen Unternehmen, die immer noch auf durchgehende Präsenzkultur setzen, großer Nachholbedarf. Den Wettbewerb um die besten Talente werden aber diejenigen gewinnen, die durch Offenheit für neue hybride Modelle und geeignete Lösungen überzeugen können.
Die Zukunft der Beratung heißt Enablement
Klassische Unternehmensberatung allein reicht nicht mehr aus, um in einem dynamischen „VUKA“ Umfeld zeitgerechte und praxisnahe Lösungen zu entwickeln. Was früher viele Powerpointfolien, komplizierte Analysen und monatelang entwickelte Konzepte waren, muss heute agil entwickelt und schnell und pragmatisch angegangen werden. Modernes Consulting setzt auf die frühe Einbindung der Mitarbeitenden in die Entwicklung einer ganzheitlichen Digitalstrategie, was in enger Zusammenarbeit mit allen Stakeholdern in agilen Cross-funktionalen Teams geschieht.
Neben dem Fundament einer offenen Kultur mit Growth Mindset ist die gemeinsame Strategieentwicklung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, der absolutes Commitment der Führungsebene sowie echte Mitarbeit erfordert. So werden Berater zu Enablern, in dem sie ihr Methodenwissen gekonnt einsetzen und die Kundenmitarbeitenden darin befähigen, deren Erfahrungen und Ideen ergebnisorientiert einzubringen. So wird sichergestellt, dass das neue Unternehmenskonzept nicht nur verstanden, sondern auch gelebt wird.